Chance für die Entwicklung des Eisenwerkgeländes

Veröffentlicht am 31.12.2004 in Ratsfraktion

Sitzung des AUS vom 14.12.2004:

Unter den Tagesordnungspunkt „Bebauungsplan Nr. 60 „Eisenwerk“ hat der Ausschuss für Umwelt und Stadtplanung auf seiner Dezembersitzung einen Beschluss gefasst, der die Chance bietet, das Eisenwerkgelände für Gewerbeansiedlung im Konsens zu entwickeln.
Gegenwärtig ist dies aber nicht mehr als eine Chance.

A. DIE SITZUNG DES AUS
Zu Beginn der Diskussion argumentiert Lars Bachler im Namen der SPD-Fraktion für die Umsiedlung des Kaiser´s Lebensmittelmarktes. Er macht deutlich, dass dies aber nur zulässig sein soll, wenn sichergestellt ist, dass kein weiterer zentrenrelevanter Einzelhandel im Plangebiet zugelassen wird. Die CDU-Fraktion signalisiert Übereinstimmung bzgl. der Frage der Umsiedlung, hat aber Bedenken aufgrund eines vermeintlich zu schaffenden Präzedenzfalls. Im Vorfeld der Sitzung hatte die Eigentümerseite allen Fraktionen einem Vertragsentwurf vorgelegt, der die Bedenken zerstreuen soll. Außerdem macht die vor Auslaufen der Veränderungssperre knapp werdende Zeit große Sorgen.

Zweimal wird die Sitzung für Beratungen innerhalb der Fraktionen unterbrochen. Gemeinsam formulieren die Mitglieder der SPD-Fraktion danach in der Sitzung folgenden Antrag:

"Die Verwaltung wird beauftragt, mit den Eigentümern und möglichen Investoren Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, die Ansiedlung des in der Ratsresolution vom 15.07.2004 bezeichneten Lebensmittelmarktes auf dem Eisenwerksgelände vorzubereiten. Es muss sichergestellt werden, dass auf dem gesamten Plangebiet kein weiterer Einzelhandelsbetrieb mit Innenstadtrelevanz zulässig angesiedelt werden kann.
Es muss vertraglich sichergestellt werden, dass bis zur Rechtskraft eines neu aufzustellenden Bebauungsplanes keine von der o.g. Zielsetzung abweichenden Baugenehmigungsanträge gestellt werden.
Die Vertragspartner werden verpflichtet, vorgenannte Verpflichtung an Rechtsnachfolger bzw. neue Investoren mit der Verpflichtung zur Weitergabe weiterzugeben.“

Die SPD-Fraktion hatte jeden weiteren Einzelhandel verhindern wollen, für einen Kompromiss im Ausschuss in diesem Punkt der Formulierung der gemeinsamen Ratsresolution vom Juli 2004 zugestimmt.

SPD, Grüne, BFS und SWG stimmen zu. Sechs CDU-Mitglieder enthalten sich. FDP und ein CDU-Mitglied stimmen dagegen. Der Antrag ist mit 9 gegen 2 Stimmen angenommen. Die Zahlen machen deutlich: hier besteht die Möglichkeit des gemeinsamen Handelns.
Er ist aber zunächst nur eine Chance: die Eigentümer müssen sich einigen, die Verwaltung muss die Möglichkeiten ernsthaft ausloten. Beide können diese Chance auf eine gemeinsame Lösung vereiteln.

B. ANMERKUNG ZUM WEITEREN VERFAHREN
Die Verwaltung muss nun zunächst die rechtliche Machbarkeit prüfen.

Wenn die gegeben ist, muss ein entsprechender Vertrag ausgehandelt werden. Alle Eigentümer müssen sich an den Vertrag binden, mögliche Investoren müssen daran gebunden werden.

Dieser angestrebte städtebauliche Vertrag setzt, wenn er verwirklicht werden kann, die gemeinsame Erklärung des Rates der Stadt Schwelm zum Eisenwerkgelände vom 15. Juli 2004 um, die damals ohne Gegenstimme angenommen worden war.

In der Folge könnte ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werden, der die Verhältnisse im Plangebiet unter Berücksichtigung des Lebensmittelmarktes regelt.
Die zeitliche Lücke zwischen dem Wegfall der Veränderungssperre und der Rechtsgültigkeit des neu aufzustellenden Bebauungsplanes wird dann durch den städtebaulichen Vertrag gesichert. Die Hunde werden dann sozusagen während dieser Zeit an die Kette gelegt, bis sie wieder in den umgebauten Zwinger dürfen.

carsten greb/gerd philipp

Kommentar von:
H.W. Maas
Vorsitzender des Haus & Grundeigentümervereins Schwelm
zugleich Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Spätestens seit dem Presse-Interview mit dem Bürgermeister
der Stadt Gevelsberg, Herrn Jacobi, SPD, ist der Unterschied zwischen
Schwelm und Gevelsberg hinreichend deutlich.

Gevelsberg hat, mithilfe insbesondere von Herrn Schäfer, SPD, die
Stadtplanung auf solide Füße gestellt und zunächst einen
Flächennutzungsplan (FNP) entwickelt. Dieser FNP stellt die tatsächlichen
und die zukünftig gewollten Nutzungen des gesamten Gemeinde-Gebietes
zutreffend dar. Der FNP für Schwelm stammt nach meiner Erinnerung aus den
70er Jahren des vorigen Jahrhunderts und hat nur noch wenig mit der
Realität und den Vorstellungen über die Zukunft zu tun. Dabei hat auch
Schwelm ausreichend fähige Verwaltungsmitarbeiter, um einen FNP zu
erstellen, vgl. http://www.ifr-ev.de/wettbewerb/osnab.pdf

Die Folge: Gevelsberg hat eine klare Vorgabe für die Zukunft artikuliert
und damit feste Ziele vor Augen. Fast alle gesellschaftlich aktiven
Gruppen haben diese Vorgaben akzeptiert und sind an der Verwirklichung
beteiligt. Das wichtigste dieser klaren Ziele: Die Revitalisierung der
Innenstadt hat Vorrang vor allen anderen Zielen und wird nachhaltig
betrieben.

In Schwelm gäbe es nach meiner Meinung noch einen wesentlich stärkeren
Rückhalt in der Bevölkerung für ein solches Ziel, wenn es endlich klar
ausgesprochen und auch danach gehandelt würde. Statt dessen werden aber
immer wieder Nebenschauplätze zum Anlass heftiger Diskussionen, die den
Blick auf das Wesentliche verschleiern und die Lebensqualität des
Standortes Schwelm weiter mindern.

Insbesondere die Diskussion über den Einzelhandel auf dem Eisenwerkgelände
zeigt deutlich, dass die Wichtigkeit einer attraktiven Innenstadt nicht
immer den nötigen Vorrang hat. In aller Deutlichkeit: Es geht hier nicht
um mehr oder weniger glückliche Einzelhändler sondern um Lebensqualität,
kulturelle Vielfalt (hierzu gehören auch Kneipen und Gaststätten) sowie
eine ausreichende Auswahl in Handel und Dienstleistung.

Vielfalt braucht Frequenz, denn nur eine volle Innenstadt ist eine
attraktive Innenstadt. Der dezentrale Einzelhandel animiert motorisierte
Kunden jedoch dazu, zentral an einem Ort sämtliche Besorgungen
vorzunehmen. Damit sinkt die Besucher-Frequenz in der Innenstadt.
Kaufkraft fließt aus den Innenstadtbereichen in die Sondergebiete.
Sinkende Besucherzahlen und Kaufkraftabfluss führen zu einem generellen
Umsatzrückgang. Betroffen sind neben den Dienstleistungsbranchen auch die
Einzelhändler, die nicht in einem direkten Konkurrenzverhältnis zu den
Sondergebietsflächen stehen, da Gelegenheitskäufe anlässlich einer
Anwesenheit in der Innenstadt nur noch in geringerem Umfang stattfinden.

Der generelle Umsatzrückgang führt dazu, dass das Warensortiment in der
Innenstadt mangels Nachfrage reduziert wird. Folge ist eine sinkende
Angebotsvielfalt im Innenstadtbereich. Der Rückgang der Angebotsvielfalt
wiederum führt dazu, dass die Attraktivität der Innenstadt weiter
zurückgeht. Die Besucherfrequenz nimmt weiter ab. Ein Kreislauf von
sinkender Attraktivität und sinkender Besucher-Frequenz entsteht.

Umsatzrückgänge in der Innenstadt begründen die Notwendigkeit für
Einzelhändler, Reduzierungen auch auf der Kostenseite vorzunehmen.
Wesentlicher Kostenfaktor sind die Mieten für Verkaufsflächen im
Innenstadtbereich, die typischerweise kleinflächig sind. Folge sind
entweder Leerstände durch Umzug und/oder markante Rückgänge bei den
Miethöhen. Die Attraktivität geht weiter zurück.

Betroffen sind damit auch die Immobilien-Eigentümer, denn rückläufige
Angebotsvielfalt und Attraktivität lassen auch die Werthaltigkeit der
Wohnlagen sinken, so dass auch die Wohnqualität in der Innenstadt weiter
abnimmt. Die vorhandenen Mieter suchen nach attraktiveren Städten oder
Stadtteilen. Es mehren sich auch im Wohnungsbereich Leerstände oder
Wechsel zu geringeren Mieten, die die Kostensituation der
Immobilien-Eigentümer weiter verschlechtern. Die Eigentümer, die den
Werterhalt der Immobilien über die Mieten finanzieren, haben weniger
Möglichkeiten zur Erhaltung und Verschönerung. Die Gefahr von
heruntergekommenen Häusern wird größer.

Betroffen von sinkender Besucher-Frequenz, sinkender Attraktivität der
Innenstadt und Wegzug solventer Mieter sind letztlich auch
Gastronomie-Betriebe sowie Dienstleister mit persönlichem Kundenkontakt.
Wenn keiner vorbeikommt, geht auch keiner rein.

In Schwelm hat dieser Prozess bereits begonnen, denn die Übermacht an
Handy-Läden und Bäckereien ist klares Indiz dafür, dass für andere
Branchen die Innenstadt unattraktiv ist.

Wird jetzt an den größten Zubringer zur Innenstadt ein moderner
Einzelhandel gesetzt, wird die Frequentierung der Innenstadt weiter
sinken, denn erforderlich ist eine schöne und ausreichend große Zufahrt.
Die Hattinger Straße ist Landesstraße. Bereits jetzt ist die Zufahrt für
den Einzelhandel auf der anderen Straßenseite einseitig gesperrt, um
Unfälle zu vermeiden. Die Vergrößerung der Zufahrt wird die Folge haben,
dass auch OBI die hintere Zufahrt verstärkt nutzt und weiteren Verkehr
abziehen kann.

Das Argument, bereits jetzt sei auf der anderen Seite ein Einzelhandel,
greift nicht. Zunächst schadet auch dieser Einzelhandel, wenn auch wenig,
der Frequenz. Deshalb hätte er dort eigentlich nicht genehmigt werden
sollen, genießt aber Bestandsschutz. Allerdings hat er noch keine prägende
Wirkung für das Eisenwerkgelände, weil die Hattinger Straße eine klare
Zäsur darstellt. Gleiches gilt für den Einzelhandel an der Prinzenstraße,
der durch Gewerbehallen und die Loher Straße vom Eisenwerkgelände
abgetrennt wird.

Wird er auf das Eisenwerkgelände verlagert, bekommt er prägende Wirkung.
Diese Wirkung kann nicht durch einen städtebaulichen Vertrag beseitigt
werden. Ein solcher Vertrag hat den Zweck, eine bereits vorhandene
kommunale Planung mithilfe privater Investoren wirtschaftlich abzudecken.
Vorliegend besteht weder öffentliche Planung noch vermutlich privates
Geld.

Hinzu kommt, dass ein solcher Vertrag nicht insolvenzsicher und nur
zwischen den Vertragsparteien bindend ist. Jeder Wechsel des Eigentümers
macht den Vertragszweck zunichte. Möglich sind dann nur noch
Schadensersatzansprüche gegen den ehemaligen Vertragspartner. Neue Objekte
verhindern kann er nicht.

Hinzu kommt, dass eine Veränderungssperre wie die zur Zeit noch gültige
nur rechtmäßig ist, wenn sie eine tatsächliche Planung sichert. Wird sie
nur zur Verhinderung unliebsamer Projekte benutzt, ist sie rechtswidrig
(OVG Lüneburg, Urt. v. 26.08.2004). Eine rechtswidrige Veränderungssperre
kann wiederum Schadensersatzforderungen der Eigentümer auslösen.

Bisher hat die Stadt durch den B-Plan-Entwurf deutlich gemacht, dass sie
planerische Ziele hat. Wirft sie diese jetzt über den Haufen, ohne ein
sofortiges Ersatz-Konzept zu haben, können später Schadensersatzansprüche
drohen. Das Konzept: "Ein einziger Einzelhändler und dann sehen wir
weiter" reicht eindeutig nicht.

Damit spricht alles dafür, das angefangene B-Plan-Verfahren so schnell wie
möglich zu beenden und auch den Investoren Planungssicherheit zu geben.
Solange die Möglichkeit von Einzelhandel (bis zu 200,00 EUR/qm) besteht,
wird Gewerbe (max. 60,00 EUR/qm) dort nicht zugelassen werden. Die
erfreuliche Entwicklung auf dem übrigen Gebiet zeigt deutlich, dass
Nachfrage für Gewerbe besteht.

Es gibt diverse Studien, die dem Ruhrgebiet (im weiteren Sinn also auch
Schwelm) einen Bevölkerungsrückgang von bis zu 20 % in den nächsten 15 bis
20 Jahren vorhersagen. Schwelm hat nur dann eine Chance, nicht zur Vorstadt
von Gevelsberg und Wuppertal zu werden, wenn der Rat sich auf die Stärke
von Schwelm besinnt, nämlich eine schöne und belebte Innenstadt. Einkaufen
kann ich überall, bummeln bisher nur in Schwelm. Aber einsam bummeln macht
auch keinen Spaß.

Ich bin sicher, die Mitglieder der SPD in Schwelm haben zumindest die
gleichen Qualitäten wie die in Gevelsberg und sind in der Lage, durch
klare Vorgaben bei der Stadtplanung, die angefangene Zerfaserung der Stadt
zu beenden und auch die anderen Fraktionen von der Wichtigkeit einer
belebten Innenstadt zu überzeugen. Der Landesgesetzgeber (auch SPD) hat
dies ebenfalls erkannt und den Kommunen alle Mittel an die Hand gegeben,
diese Ziel zu erreichen. Solange kein "Eisbrecher" auf dem
Eisenwerkgelände steht, kann jede entsprechende Genehmigung versagt
werden, auch wenn die Veränderungssperre abläuft (§ 34 Abs. 3 und 3a
BauGB).

H.W. Maas
Vorsitzender des Haus & Grundeigentümervereins Schwelm
zugleich Fachanwalt für Verwaltungsrecht

 

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