Englischunterricht in offenen Ganztagsgrundschulen

Veröffentlicht am 23.05.2004 in Ratsfraktion

Prof. Dr. Bärbel Diehr lehrt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Englische Literatur- und Kulturwissenschaft sowie Fachdidaktik. Sie war lange Jahre als Englischlehrerin im Schuldienst tätig, führte an der Ruhr-Universität Bochum Veranstaltungen in Linguistik, Literaturwissenschaft und Didaktik durch und bildete an einem Studienseminar Referendare im Fach Englisch aus. Seit 2002 hat sie einen Lehrstuhl für das Fach Englisch und seine Didaktik. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte liegt im Bereich Grundschulenglisch.

Das Land BW lässt Englisch in der Grundschule bereits mit dem ersten Schuljahr beginnen.
Frau Diehr bildet also kommende Grundschullehrer im Fach Englisch aus. Wir haben sie gebeten, ihre Vorstellungen zum Unterrichtsfach Englisch in einer offenen Ganztagsgrundschule zu formulieren. Der Artikel kann möglicherweise auch Lehrerinnen und Lehrern helfen, die gegenwärtig mit dem Englischunterricht in Schwelm an den Grundschulen einsetzen.

Gerd Philipp


Wie kann der frühbeginnende Englischunterricht von der offenen Ganztagsgrundschule profitieren?

„In the ideal world...„

Wenn in einer Unterhaltung mit englischen Gesprächspartnern der Ausspruch „Well, in the ideal world„ auftaucht, weiß jeder, dass der nun folgende Satz einen Idealzustand beschreibt, der nie eintreten wird, wie wünschenswert er auch immer sein mag. „In the ideal world" wird daher oft mit „Wenn das Wörtchen ‘wenn’ nicht wär´„ übersetzt. Im Unterschied zur deutschen Fassung, mit der ein Sprecher die Wünsche eines anderen als völlig illusorisch abwertet, leitet die englische Version einen Gedankenaustausch über das Machbare ein, über notwendige Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, um einen Missstand zu beheben und eine unbefriedigende Situation zu verbessern, auch wenn man keinen Idealzustand herstellen kann.

Die offene Ganztagsgrundschule wurde als Antwort auf drängende gesellschaftliche Probleme konzipiert, die u.a. in der PISA Studie offenbar wurden. Immer wieder wird nun die Frage gestellt, wie die Qualität des schulischen Lernens durch das Ganztagsangebot verbessert werden kann. Unsicherheit herrscht vor allem in dem neu eingeführten Fach Englisch, das seit dem Schuljahr 2003/2004 in allen nordrhein-westfälischen Grundschulen ab der 3. Klasse unterrichtet wird.

Wie kann der frühbeginnende Englischunterricht von der offenen Ganztagsgrundschule profitieren? „In the ideal world" gäbe es qualifizierte Englischlehrkräfte in ausreichender Zahl, die den Kindern ein maßgeschneidertes Fremdsprachenprogramm für den Nachmittag anbieten könnten. „In the ideal world" würde jede Grundschule einen muttersprachlichen Fremdsprachenassistenten einstellen, der den Lernenden ein Sprachbad in authentischem Englisch ermöglichen würde. „In the ideal world" wäre jede Grundschule mit Computern, Bildschirmen, DVD-Spielern auf dem neuesten Stand ausgestattet, so dass die Schülerinnen und Schüler jeder Zeit mit der gesprochenen Fremdsprache und –über E-Mail und Internet- ihren Sprechern in Kontakt treten könnten.

„In the real world..."

Von diesen Bedingungen sind die allermeisten Schulen weit entfernt. In der Regel geht die Einführung der offenen Ganztagsgrundschule nicht mit einer Erweiterung des Vormittagsunterrichts einher, sondern lediglich mit dem Angebot einer Nachmittagsbetreuung. Die Ergebnisse des schulischen Lernens können auf diese Weise wohl kaum verbessert werden. Auf lange Sicht ist daher die Ausdehnung des Unterrichts auf den Nachmittag, wie sie z.B. in England Gang und Gäbe ist, mit weitreichenden personellen und organisatorischen Konsequenzen unumgänglich. Dennoch ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, als eine Art Stufe Eins, die Einführung einer bloßen Betreuung am Nachmittag der Beibehaltung des Status Quo, d.h. dem Schulschluss am Ende des Vormittags, vorzuziehen. In diesem angelsächsisch pragmatischen Sinne sind die nachfolgenden Argumente als Anregungen für die Verantwortlichen gedacht, in der gegenwärtigen Situation sinnvolle Maßnahmen für das Machbare zu ergreifen und gleichzeitig die Planung für zukünftige Verbesserungen weiter voran zu treiben.

Das fremdsprachendidaktische Potenzial der Nachmittagsbetreuung

Das Ganztagsangebot kann den Erfolg des frühen Fremdsprachenlernens günstig beeinflussen, weil es die Kontaktzeiten mit der Fremdsprache erhöht. Lieder, Reime und Geschichten, wie die Kinder sie aus dem Vormittagsunterricht kennen, können auch am Nachmittag angehört und mitgesungen werden. Entweder erzählt die Betreuerin eine Geschichte wie die beliebte Bear Hunt oder sie verwendet eine CD oder Audiocassette. Altersgemäßes Material steht in ausreichendem Umfang zur Verfügung. Die Schulbuchverlage, z.B. Cornelsen, Klett oder Langenscheidt, bieten inzwischen nicht nur Lehrwerke, sondern auch Videocassetten, DVDs und Lernsoftware sowie Begleitmaterial zu beliebten und leicht verständlichen Geschichten an, so dass auch Kinder, deren Eltern diese teuren Medien nicht anschaffen können, Gelegenheit bekommen, die Fremdsprache außerhalb des regulären Englischunterrichts zu hören.

Das Ganztagsangebot kann den Lernerfolg weiterhin günstig beeinflussen, weil es die Chance zum Gebrauch der Fremdsprache erhöht. Gerade in einem Nachmittagsprogramm, das Wert auf Bewegung und Sport legt, bieten sich viele Anknüpfungsmöglichkeiten an einen Vormittagsunterricht, in dem ganzheitliches Lernen im Vordergrund steht. Das Repertoire an Sing- und Bewegungsspielen, das die Englischlehrkräfte morgens einführen, kann nachmittags vertieft, variiert und erweitert werden. Auch für besondere Vorhaben wie das Einstudieren eines kleinen Theaterstücks, z.B. Carl Taylors Merlin’s Magnificent Magic Shop (Cornelsen Verlag), bietet das Nachmittagsprogramm räumliche und zeitliche Möglichkeiten.

Da das Englischlernen in der Grundschule nicht auf formaler Instruktion beruht, sondern auf Spracherwerb in sinnvollen, für Kinder interessanten Situationen, sind die Aussichten für eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Vormittagsunterricht und Nachmittagsbetreuung gut. Allerdings gibt es grundlegende Voraussetzungen, die für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erfüllt sein müssen.

Voraussetzungen für eine lernförderliche Nachmittagsbetreuung mit fremdsprachlichem Schwerpunkt

Das Ganztagsangebot insgesamt muss zielgerichtet gemacht werden. Unabhängig davon wer die Kinder wann betreut, müssen die Beteiligten klare Leitvorstellungen für ihre Bildungs- und Erziehungsarbeit haben. Hier ist das Ministerium aufgefordert, Rahmenpläne vorzulegen, an denen sich die Schulen orientieren können.

Auf lokaler Ebene ist eine enge Zusammenarbeit aller derer notwendig, die für die Kinder vor- und nachmittags verantwortlich sind. Zu diesem Zweck müssen Konferenzen institutionalisiert werden, an denen Lehrer wie Betreuer gemeinsam teilnehmen. Regelmäßige Zusammenkünfte ermöglichen einen intensiven Austausch über die Kinder sowie Absprachen über Themen, Gegenstände und die gemeinsame Nutzung von Materialien und Medien, z.B. Audiocassetten und CDs aus dem Englischunterricht.

Um das frühe Englischlernen wirkungsvoll zu unterstützen, müssen diejenigen, die die Kinder nachmittags betreuen, eine fremdsprachendidaktische Schulung erhalten. Damit sie die Arbeit vom Vormittag fachgerecht ergänzen können, müssen die bestehenden Fortbildungsmaßnahmen, mit denen amtierende Grundschullehrkräfte auf die Einführung des Englischunterrichts notdürftig vorbereitet wurden, auf das Betreuungspersonal ausgeweitet werden.

Da fremdsprachliche Kompetenz die Grundvoraussetzung für die Vermittlung einer Fremdsprache ist, müssen diejenigen, die im Nachmittagsprogramm fremdsprachige Aufgaben übernehmen, in ihrem eigenen Gebrauch der englischen Sprache geschult werden. Eine gute Aussprache, ein kindgemäßer Wortschatz und der flüssige Gebrauch eines idiomatischen Englisch sind auf Seiten der Betreuer unverzichtbar, wenn sie das Englischlernen der Dritt- und Viertklässler vorteilhaft unterstützen sollen.

Investitionen in die Zukunft

Wenn schulisches Lernen intensiviert und verbessert werden soll, muss schulischer Unterricht ausgedehnt und von qualifizierten Lehrkräften getragen werden. Dies mag derzeit nicht finanzierbar erscheinen. Doch auf lange Sicht können wir uns ein Sparen an der Bildung, ein Sparen an der Zukunft, nicht leisten.

Bärbel Diehr
PH Heidelberg

 

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